Donnerstag, 18. April 2024

In oder nach 300 Metern abbiegen?

So eine Navi-Tante redet viel, wenn die Fahrt lang ist. Aber nicht immer sind wir uns sicher, ob es auch richtig ist. Soll man „nach 300 Metern“ abbiegen oder besser „in 300 Metern“? Oder ist das eine so gut wie das andere?

Frage einer Leserin aus Hamburg: In unserem Unternehmen, das unter anderem Software für Pkw-Navigationssysteme entwickelt, bin ich für Sprache rund um Navigationsansagen zuständig.

Immer mal wieder gibt es Diskussionen darüber, ob bei dem Hinweis auf die Entfernung bis zum nächsten Fahrmanöver die Präposition „nach“ oder „in“ richtig ist.

Konkret: Muss es heißen „Nach 300 Metern rechts abbiegen“ oder „In 300 Metern rechts abbiegen“, oder ist beides richtig? Da ich leider zu dieser Frage in Nachschlagewerken keine eindeutige Antwort gefunden habe, würde mich Ihre Meinung dazu interessieren.

Antwort des Zwiebelfischs: Es ehrt mich, dass Sie sich in dieser Frage an mich wenden. Man bekommt schließlich nicht jeden Tag die Chance, bei etwas so Wichtigem wie der Programmierung der Navi-Ansage mitreden zu dürfen. Danach richtet sich am Ende womöglich ganz Deutschland.

Die Präpositionen (zu Deutsch: Verhältniswörter) „nach“ und „in“ sind ein seltsam ungleiches Paar, das weiß jeder, der schon mal vor der Frage stand, ob er nach Griechenland oder in die Türkei fahren soll. Sie konkurrieren nicht nur bei Fragen der Entfernung miteinander, sondern auch bei Fragen der Dauer. Ihr Einsatzgebiet ist also sowohl räumlich als auch zeitlich definiert.

Nahstehend einige Beispiele für den Gebrauch von „in“ und „nach“ mit zeitlicher Bedeutung:

„Wir trafen uns nach zwei Jahren wieder.“
„Wir sehen uns in zwei Tagen!“

„Nach einer Woche werden Sie sich besser fühlen!“
„Kommen Sie in einer Woche wieder.“

Das „nach“ legt den Aspekt auf die Dauer. Man sieht dabei förmlich die Zeiger der Uhr vorangehen.

Das „in“ markiert hingegen einen genauen Punkt in der Zukunft. Die Zeiger der Uhr werden gewissermaßen vorgestellt.

Die gleiche Unterscheidung lässt sich auch in räumlicher Hinsicht machen. Wenn es um das Zurücklegen einer Strecke von x Metern geht, steht meistens „nach“:

„Nach 200 Metern rechts halten.“

„Nach der nächsten Ampel links abbiegen!“

Wenn es nicht um die zurückzulegende Strecke geht, sondern nur um die Festlegung (Verortung) eines Punktes, wird oft „in“ gebraucht:

„Nächste Abfahrt in fünf Kilometern!“

„In 200 Metern befindet sich ein Hinweisschild.“

Zeitlich wie räumlich markiert „in“ einen konkreten Punkt (in der Zukunft, in der Entfernung), während „nach“ das Verstreichen einer gewissen Dauer oder die Überwindung einer gewissen Strecke ausdrückt.

In Ihrem konkreten Fall würde ich für „nach“ plädieren, zumal damit klar ist, dass man diese Strecke von 300 Metern erst einmal zurückgelegt haben muss, um dann rechts abbiegen zu können. Ich wünsche Ihnen allzeit gute Fahrt und hoffe, dass Sie nach einer arbeitsreichen Strecke sicher in den verdienten Urlaub abbiegen!

(c) Bastian Sick 2010

 


Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 5“ erschienen.

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