Dienstag, 12. März 2024

Wie blond kann man sein?

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Foto: Blonder Mann in blondem Weizen

Frage eines Lesers aus Buchholz in der Nordheide:

Schon seit Längerem beschäftigt mich die Frage, warum wir das Farbwort „blond“ nur für Haare gebrauchen. Meiner Meinung nach ist blond vom Wort her gleichgestellt mit beige, blau, grün, violett usw.

Warum erscheint uns ein Feld voller Weizen nicht als „blond“, obwohl es der Haarfarbe ja stark ähnelt? Wieso gibt es keine blonden Autolacke oder blondes Furnier?

Antwort des Zwiebelfischs:

Ob blond, ob braun, Farben sind nicht leicht zu durchschau’n. „Blond“ bedeutet „goldgelb“, und goldgelb kann vieles sein: Eidotter zum Beispiel. Dennoch wird der Dotter nicht „das Blonde vom Ei“ genannt. Allen Zusammensetzungen wie goldblond, strohblond und maisblond zum Trotz gibt es weder blondes Gold, blondes Stroh noch blonden Mais. Jedenfalls nicht in der Standardsprache. Dort scheint die Farbe „blond“ den Haaren vorbehalten zu sein.

In der Umgangssprache allerdings ist sie auch in anderen Zusammenhängen zu finden. Bei bestimmten Genussmitteln spricht man von „blond“, wenn „hell“ gemeint ist. Das Weizenbier kann „ein Blondes“ oder „eine Blonde“ sein. Auch für hellen Tabak und helles Holz wird umgangssprachlich die Bezeichnung „blond“ gebraucht. Und nicht nur Bäcker wissen, was „blonde Brötchen“ sind. Wer seinen Kaffee gern „süß und blond“ mag, der genießt ihn mit Zucker und Milch. Abgestorbenes, gelb gewordenes Schilf wird ebenfalls gelegentlich als „blond“ bezeichnet. Einige um Originalität bemühte Tourismusbroschüren werben mit „blonden Dünen“. Bislang ist aber noch niemand auf die Idee gekommen, das Branchenverzeichnis der Friseure die „blonden Seiten“ zu nennen, obwohl das doch wirklich naheliegend wäre.

Zur Beschreibung hellen Fells bei Tieren wird „blond“ nur selten herangezogen. Es gibt zwar ein Hunde-Shampoo der Marke Novagard Green „für blondes und weißes Fell“, doch im offiziellen Register der Hundefellfarben kommt „blond“ nicht vor.

Auch für Pferde und Ponys wird „blond“ als Fellfarbe nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Graugelbes Fell wird „falb“ genannt. Nicht einmal Schafe sind „blond“. Nach Strickwaren aus „blonder Wolle“ sucht man im Otto-Katalog jedenfalls vergebens.

Genau wie violett, brünett und lila kommt auch „blond“ aus dem Französischen. Und man vermutet, dass die Franzosen es ihrerseits von den Germanen übernommen haben, so wie die Farben „bleu“, „blanc“, „brun“ und „gris“ von „blau“, „blank“, „braun“ und „grau“. Demzufolge wäre die Wurzel allen Blonds germanisch. Bei den alten Germanen hieß es allerdings noch nicht „blond“, sondern „blīnt“. Dieses Adjektiv, das „fahl“ und „trübe“ bedeutete, wurde auf dem deutschen Wege zu „blind“, auf dem französischen zu „blond“. Auch im Französischen können Tabak und Bier „blond“ sein. In blumigen Texten sind dort auch blonder Staub, blonde Seide und blonde Morgenröte anzutreffen. (Wer sich unter „blonder Morgenröte“ nichts vorstellen kann, der kann sich vielleicht eher einen rotblonden Morgenhimmel denken.)

Es gibt also in beiden Sprachen durchaus Ansätze, das Wort „blond“ auf andere hellgelbe Erscheinungen anzuwenden, doch die Bedeutung als Haarfarbe ist so übermächtig, dass alle Versuche, die Sprache über das menschliche Haar hinaus zu blondieren, entweder scherzhaft oder gekünstelt wirken.

Hinderlich für die Entwicklung zum vollwertigen Farbadjektiv ist außerdem der Umstand, dass „blond“ gerade in jüngerer Zeit seine Bedeutung in eine andere Richtung ausgedehnt hat: Dank zahlreicher „Blondinen“-Witze ist „blond“ mittlerweile zu einem Synonym für „beschränkt“ geworden. So findet man in die Umgangssprache eingeflochtene blonde Strähnchen wie „Red nicht so blond!“ und „Wie blond kann man sein?“.

Dabei handelt es sich aber sicherlich nur um eine vorübergehende Mode. Irgendwann wird das vorbei sein, und etwas anderes wird kommen. Dann heißt es vielleicht: „Braun ist das neue Blond!“

(c) Bastian Sick 2013


Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 5“ erschienen.

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3 Kommentare

  1. Lieber Herr Sick! Kaum habe ich gelesen, dass Folge 5 Ihrer Mordfallserie von Dativ und Genitiv erschienen ist, schon liegt ein Exemplar vor mir, und mir geht’s dabei wie mit feiner Schokolade: „Wenn ich nur aufhören könnt‘!“

    Für heute nur eine Ergänzung zu „Wie blond kann man sein?“: Zu den in Österreich gezüchteten Rinderrassen gehören die Blondvieh-Rassen „Kärntner Blondvieh“ und „Waldviertler Blondvieh“. Und die Fellfarbenbezeichnung „semmelblond“ ist mir durchaus geläufig, z. B. bei Hunden. Ich bin weder Viehzüchter noch Hundebesitzer, sondern ein Hauptschullehrer im Ruhestand, der aber in einem permanenten Unruhestand lebt, wenn es um unsere deutsche Sprache geht. Zu den „Weizenbrötchen“ ein anderes Mal kleine Ergänzungen.

    Mit herzlichen Grüßen
    Werner Stritar, Melk

    • Lieber Herr Stritar! Sie haben mir wahrlich eine große Freude bereitet! Der Vergleich mit feiner Schokolade war geradezu köstlich. Und Ihr Hinweis auf die blonden Rindviecher in Österreich hat mich sehr gefreut! Das wusste ich tatsächlich nicht. Dabei findet man unter dem Stichwort „Blondvieh“ jede Menge Einträge im Internet!
      Genießen Sie weiterhin Ihren Unruhestand! Und schreiben Sie mir gelegentlich einmal wieder; mich interessiert sehr, was Sie aus österreichischer Sicht noch zum Weizenbrötchen beitragen können! Herzlich grüßt Sie Ihr Bastian Sick

  2. Hihi, ja das ist süß. Letztens dachte ich auch darüber nach. Ich meine, wer glaubt den ganzen Mist denn noch, den einem die Werbung erzählt? Dass man nach dem und dem Genuss ein glücklicherer Mensch wird. Dass einem die Frauen hinterherlaufen, wenn man nur das richtige Deo benutzt – oder die richtigen Pralinen kauft. Das sind nette (und meist dumme) Storys, denen aber die Glaubwürdigkeit völig fehlt. Wie viel besser gefällt mir eine Werbung von, tja, ich hab jetzt leider den Namen des Herstellers vergessen, aber ein Herr spricht in die Kamera und erzält, dass in Deutschland produziert wird, dass mit Hilfe von Kurzarbeit die Krise umschifft wurde und dass sie so und so vielen Menschen Arbeit geben. Klar, das wirkt etwas unbeholfen, aber gleichzeitig auch glaubwürdiger. Blöd jetzt, dass ich den Namen nicht mehr weiß, ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

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